SEHAG
Sensitivität hochalpiner Geosysteme gegenüber dem Klimawandel seit 1850
Der Klimawandel wird durch eine Vielzahl von historischen und aktuellen Messungen bestätigt. Seit den 1980er Jahren erleben die Alpen eine Erwärmung, die deutlich über dem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur liegt.
Die Forschungsgruppe SEHAG untersucht die Auswirkungen des Klimawandels auf hochalpine Geosysteme seit dem Ende der Kleinen Eiszeit (1850). Hierzu arbeiten Wissenschaftler_Innen verschiedener Fachrichtungen (Klimatologie, Geographie, Hydrologie, Botanik und Geodäsie) der Universitäten Bremen, Eichstätt-Ingolstadt, München (TUM), Innsbruck und Wien (TU) intensiv zusammen. Die Untersuchungen finden in drei alpinen Tälern statt: Kaunertal und Horlachtal in Österreich, und Martelltal in Italien.
Der Fokus des SEHAG Projektes liegt auf:
- Rekonstruktion des Wetterverlaufs seit dem Ende der letzten Kleinen Eiszeit durch Computermodellrechnungen, die kontinuierlich mit historischen Zeitreihen (wie zum Beispiel von Temperatur und Niederschlag) verglichen werden. Anhand der Ergebnisse sollen beobachtete Veränderungen erklärt werden, konkret bedeutet dies mithilfe des rekonstruierten Wetters die Entwicklung der Gletscher- und Abflussdynamik zu verstehen.
- Historische Photographien werden genutzt um die historische Gletscherausdehnung, die Aktivität und Intensität von Murgängen und Lawinen sowie der Vegetationsbedeckung zu rekonstruieren. Durch moderne Methoden ist es möglich die Position sowie die Blickrichtung des Photographen zu bestimmen und die Bilder so zu bearbeiten, dass maßstabsgetreue Karten erstellt werden können.
- Die Wissenschaftler_Innen führen während der ganzen Projektlaufzeit verschiedene Messungen in den Untersuchungsgebieten durch. Wetterstationen zeichnen unter anderem Temperatur, Niederschlag und Wind auf, der Abfluss von alpineren Bächen wird an bestimmen Standorten gemessen, digitale Modelle von Hängen und Tälern werden durch hochaufgelöste Laseruntersuchungen vom Boden und der Luft aus erstellt, anhand von Drohnenfotos werden Veränderungen dokumentiert, abgesteckte Testflächen werden in regelmäßigen Abständen auf Veränderungen in der Vegetationsbedeckung untersucht. Mit diesen Daten untersuchen wir in wie weit alpine Landschaften auf veränderte Bedingungen reagieren. In einer weiteren Projektphase werden wir zudem versuchen das Wissen zu nutzten, um die Veränderungen in die nahe Zukunft (bis 2050) zu projizieren.
Der Lehrstuhl für Hydrologie und Flussgebietsmanagement der Technischen Universität München (TUM) untersucht klimawandelbedingte Veränderungen in der Hydrosphäre im Zeitraum von 1850 bis 2021 und inwieweit diese Veränderungen mit den einzelnen Komponenten der hochalpinen Geosysteme interagieren. In der ersten Projektphase werden vier Ziele verfolgt:
- Untersuchung von Veränderungen in Frequenz und Magnitude modellierter und beobachteter hydrologischer Extremereignisse (z.B. Hochwasser, Dürre, extreme Schmelzereignisse in Folge von Hitzewellen, Auftreten von Regen-auf-Schnee-Ereignisse und konvektive Stürme), die in den drei Untersuchungsgebieten innerhalb der Zeiträume 1850-1920, 1920-1980 und 1980-2021 aufgetreten sind.
- Reduzierung der Unsicherheit in den Ergebnissen der hydrologischen Modellierungen in den hochalpinen Einzugsgebieten durch Verwendung von hochaufgelösten meteorologischen Daten, Fernerkundungsdaten (z.B. Gletscherausdehnung, Schneebedeckung), Informationen über die Bodenbeschaffenheit (z.B. Bodenstruktur, Permafrost und Vegetationsbedeckung) und zusätzliche Messungen wie zum Beispiel der Temperatur des Gerinneabflusses und der elektrischen Leitfähigkeit. Die Daten werden in Intensivmesskampagnen und kontinuierlich in der gesamten Projektphase (2019-2024) erhoben.
- Kalibrierung und Validierung des hydrologischen Modells mit speziellem Fokus auf die Abflussbildung durch Schnee-, Gletscher- und Permafrost-Schmelze. Besonderes Augenmerk wird auf höhen- (und damit temperaturabhängige) Prozesse gelegt. Außerdem wird das hydrologische Modell in der zweiten Projektphase (2022 - 2024) erweitert, um den Temperaturtransport im Gewässernetz zu modellieren.
- Einflüsse von Klima, Gletscher- und Schneedynamik, geomorphologischen Veränderungen sowie Landnutzungsänderungen auf die hydrologische Reaktion von alpinen Einzugsgebieten anhand von kalibrierten Modellen unterschiedlicher Komplexität (in Abhängigkeit der Datenverfügbarkeit) innerhalb der Zeiträume 1850-1920, 1920-1980 und 1980-2021.
Auftraggeber: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Projektstart: 01.01.2019
Projektende: 31.12.2021
Projektmanagement: Prof. Dr.-Ing. Markus Disse, Prof. Dr. Gabriele Chiogna
Projektbearbeitung: Dr. Ye Tuo, M.Sc. Florentin Hofmeister, M.Sc. Daniel Bittner
Homepage:https://sehag.ku.de