Modellierung und numerische Simulation im Windingenieurwesen
Eine genauere Untersuchung von komplizierten Windeffekten ist i.d.R. dann erforderlich, wenn Tragwerke und Gebäude an die Grenzen des technisch Machbaren getrieben werden und wenn der übliche Entwurf auf der Basis von Normen und Erfahrungen nicht mehr möglich ist. Beispiele dafür sind sehr hohe und schlanke Gebäude, lange und flexible Brücken, als auch genereller Leichtbau und Membrantragwerke. Diese Entwicklung, leichter und schlanker zu bauen, wird auch von der Verfügbarkeit von neuen und hochfesten Materialien unterstützt. Die resultierenden Bauwerke sind hinsichtlich komplizierter windinduzierter Phänomene anfällig und eine eingehende Studie muss durchgeführt werden.
Die aktuellen numerischen Verfahren für das Simulieren und die Quantifizierung der Effekte infolge des natürlichen Winds stellen ein Hauptforschungsgebiet am Lehrstuhl für Statik dar. Es ist notwendig, numerische Methoden einzusetzen, um diese schwierigen Probleme zu lösen. Diese Methoden haben sich in den letzten Jahrzehnten sowohl in Forschung, als auch in der Ingenieurspraxis verbreitet, was auch durch die ständig steigende Rechenleistung unterstützt wurde.
Windingenieurwesen ist ein hochgradig multidisziplinäres Arbeitsfeld, das Meteorologie, Strömungsmechanik, Strukturdynamik, Statistik und Wahrscheinlichkeitstheorie, geografische Informationssysteme und einige andere Disziplinen einbezieht. Obwohl die Aerodynamik eine der Säulen des Windingenieurwesens ist, unterscheiden sich viele Anwendungen im Windingenieurwesen von den klassischen Fragen im Bereich der Luftfahrt. Für konstruktive Bauingenieure ist die Abschätzung von Windeffekten und -lasten auf Strukturen die wichtigste Aufgabe, um ein sicheres und wirtschaftliches Bauwerk zu entwerfen. Ein sehr tiefes Verständnis der Strömungsmechanik und der Strukturmechanik ist der notwendige Hintergrund, um die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Wind und Strukturen zu erkennen und zu verstehen.
Numerische Simulation im Windingenieurwesen (siehe Englisch: Computational Wind Engineering - CWE) wird oft einschränkend als der Einsatz von numerischer Strömungsdynamik (siehe Englisch: Computational Fluid Dynamics - CFD) gesehen, wobei auch noch andere physikalische Problemklassen berechnet werden (wie z.B. Strukturdynamik) sowie weitergehende Aspekte des Modellierens und auch Feld- und Windkanal-Messungen zur Validierung der CWE wichtig sind.
Die rasanten Fortschritte in der verfügbaren Rechenleistung, sowie die Forschung und Entwicklung von innovativen Simulationsmethoden, eröffnen Möglichkeiten, die in der Vergangenheit nicht vorstellbar waren. Die realitätsnahe numerische Simulation von Strukturen in der Atmosphärischen Grenzschicht besteht grob aus den drei dafür erforderlichen Hauptbestandteilen des CWEs:
- numerische Strömungsdynamik – CFD: die Verwendung von numerischen Methoden und Algorithmen, um Strömungsprobleme zu lösen und zu analysieren. Im Zusammenhang von CWE ist CFD dafür verantwortlich, die Windströmung mit den relevanten Eigenschaften zu analysieren
- numerische Strukturdynamik – CSD: die Modellierung und Simulation von linearem bzw. auch nichtlinearem (große Deformationen oder materiell) Verhalten von Festkörpern- und Strukturen unter gegebenen Lasten mittels numerischer Verfahren
- Fluid-Struktur-Interaktion – FSI: Im Rahmen der CWE ist dies die Wechselwirkung von typischerweise leichten und flexiblen Strukturen mit dem Wind.
Numerische Methoden können als Ergänzung zu den etablierten, experimentellen bzw. Normen-basierten Herangehensweisen betrachtet werden. Dennoch werden CWE Verfahren immer häufiger genutzt, was den großen Forschungsbedarf zur Konsolidierung dieser Art von Verfahren unterstreicht. Für besondere Strukturen können numerische Methoden sogar die einzige Möglichkeit sein, eine realitätsnahe Untersuchung durchführen zu können, um schließlich einen geeigneten Entwurf unter Berücksichtigung der wind-induzierten Phänomene zu ermöglichen.
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