Die nationale und internationale Wasserpolitik muss sich auf fortschreitende und beschleunigte Veränderungen im globalen Wasserkreislauf einstellen und hierauf schnell und umfassend reagieren. So lautet die Kernaussage des WBGU-Gutachtens „Wasser in einer aufgeheizten Welt“, das der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) heute an Bundesumweltministerin Steffi Lemke und den Parlamentarischen Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Mario Brandenburg, übergibt.
Wassernotlagen nehmen weltweit zu
Die Auswirkungen des Klimawandels, die Übernutzung der Wasserressourcen, die ungleiche Verteilung von Wasser, der Verlust von Ökosystemleistungen sowie damit verbundene Gesundheitsrisiken führen zunehmend zu regionalen Wassernotlagen. Aktuelle Beispiele sind die Ausrufung des Wassernotstands in Katalonien im Frühjahr 2024 aufgrund von Wassermangel, großräumige katastrophale Überflutungen wie vor wenigen Wochen in Osteuropa oder die zunehmende Verschmutzung von Wasserressourcen in vielen Teilen Afrikas. „Wir erwarten, dass solche regionalen Wassernotlagen immer häufiger auftreten, so dass man mittlerweile von einem globalen Muster sprechen kann. Wir sehen darin eine Bedrohungslage mit globaler Dimension“ warnt WBGU-Mitglied Jörg Drewes. Im Extremfall ergeben sich Situationen, in denen Grenzen der Beherrschbarkeit überschritten werden. Sie können in einer Destabilisierung politischer, gesellschaftlicher und ökologischer Systeme münden. Klimaschutz, der Schutz der Ökosysteme sowie ein klimaresilientes, sozial ausgewogenes Wassermanagement sind die wichtigsten Maßnahmen, um Wassernotlagen zu verhindern.
Wasser höher auf die internationale politische Agenda setzen
„Um Krisenpotenziale frühzeitig zu erkennen und regionale Wassernotlagen mit planetarer Dimension abzuwenden, braucht es eine internationale Water Mapping Initiative“, betont Sabine Schlacke, WBGU Co-Vorsitzende. Diese Initiative soll dazu dienen, krisenhafte Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, wirkungsvolle Lösungsansätze auszutauschen und den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Umgang mit Wassernot- und Bedrohungslagen an die Politik zu verbessern.
Die anstehenden UN-Wasserkonferenzen 2026 und 2028 bieten ein Möglichkeitsfenster, um eine Internationale Wasserstrategie auszuhandeln, die den Schutz der Ressource Wasser als gemeinsames Anliegen der Menschheit anerkennt und vorhandene Prozesse und Konventionen stärkt und verzahnt. Neben dem „blauen“ Wasser (z. B. Bäche, Flüsse, Seen, Talsperren, Grundwasser) sollte auch „grünes“ Wasser (d. h. Bodenfeuchte, die das Pflanzenwachstum ermöglicht) in der Strategie verstärkt Beachtung finden und weltweit bei der Umsetzung eines klimaresilienten Wassermanagements berücksichtigt werden. Die internationale Strategie sollte in zwischenstaatliche Wirtschafts- und Handelsbeziehungen einfließen, auch um Synergien zwischen dem Schutz der Wasserressourcen sowie einer Stärkung von klimaneutraler Entwicklung und Ernährungssicherheit zu nutzen. Die Umsetzung der Ziele der drei Rio-Konventionen zu Klima, Biodiversität und Landdegradation ist hierfür essenziell. Insgesamt sollte das Thema Wasser höher auf die internationale Agenda gesetzt werden.
Klimaresilientes Wassermanagement etablieren
Lokal und regional ist es von zentraler Bedeutung, ein klimaresilientes, sozial ausgewogenes Wassermanagement zu etablieren, bei dem sich Infrastrukturen und Vorgehensweisen den zunehmenden Veränderungen der Wasserhaushalte anpassen. Hierzu sollten gut funktionierende selbstorganisierte Strukturen, z. B. Wassernutzervereinigungen, gestärkt und unterstützt werden. Der Schutz der Wasserqualität erfordert eine konsequente Umsetzung des Zero-Pollution-Ansatzes und eine effiziente Kreislaufwasserwirtschaft, unter Einbeziehung von Ökosystemen und einer aktiven Bewirtschaftung des im Boden gebundenen grünen Wassers. „Ohne eine langfristig glaubwürdig gesicherte Finanzierung der notwendigen Maßnahmen durch öffentliche ebenso wie private Mittel wird dies allerdings nicht gelingen“, stellt Karen Pittel, WBGU-Co-Vorsitzende, fest.
Wissenschaft für klimaresilientes Wassermanagement stärken
Dem Wissenschaftssystem kommt beim Umgang mit Verschärfungen im Wasserbereich eine zentrale Rolle zu. Der Klimawandel verändert zunehmend die Niederschlagsmuster, die Abflussmengen sowie Ausmaß und Häufigkeit von Hochwasserereignissen und ausgedehnten Trockenperioden mit extremen Hitzewellen. Dadurch schwindet die Zuverlässigkeit von Prognosen über die Wasserverfügbarkeit als Grundlage von Planungsprozessen. Benötigt werden genauere Daten zu Wasserdargebot und Wasserbedarfen, die diese Veränderungen besser berücksichtigen. Dies wird nur durch eine Digitalisierungsoffensive für die Bereitstellung von Echtzeitdaten sowie Szenarien über künftige, langfristig erwartete Entwicklungen lokaler Wasserhaushalte gelingen. Hier ist die Wissenschaft für die kontinuierliche Erhebung und Bewertung von Daten und die Bereitstellung von planungsrelevantem und lösungsorientiertem Wissen gefordert.
Der WBGU: Wissenschaft für nachhaltige Zukunftsgestaltung
Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) wurde 1992 im Vorfeld der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung („Erdgipfel von Rio“) von der Bundesregierung als unabhängiges wissenschaftliches Beratergremium eingerichtet. Der WBGU hat die Aufgabe, globale Umwelt- und Entwicklungsprobleme zu analysieren und zur Lösung dieser Probleme Handlungs- und Forschungsempfehlungen zu erarbeiten. Karen Pittel und Sabine Schlacke sind aktuell die beiden Vorsitzenden des WBGU.
Rückfragen bitte an: wbgu(at)wbgu.de; Tel.: 030/263948-12